Er gehört seit dreieinhalb Jahren dem sechsköpfigen Führungsgremium der Europäischen Zentralbank an: Fabio Panetta, der zuständige Direktor für digitale Geldströme, aber auch Hüter des Bargelds, dem bislang einzigen staatlichen Zahlungssystem. Die meisten Einkäufe in der EU werden nach wie vor mit Banknoten und Münzen bezahlt. Zunehmend jedoch bestehen Einzelhändler auf der Kartenzahlung: in größeren Städten der Niederlande bereits in jedem sechzehnten Geschäft. Anfang des Jahres hat eine deutsche Elektronikkette das Bargeld verbannt — aus 40 Läden bundesweit.
Vonseiten der Europäischen Zentralbank bleibt es ruhig. Scheinbar werden die Entwicklungen hingenommen wie das Natürlichste von der Welt. Das stimmt nur zur Hälfte, denn nach dem Willen der Ökonomen in Frankfurt soll das Verschwinden von Bargeld durch den digitalen Euro Ausgleich finden. Am 24. April 2023 trat Fabio Panetta vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments auf, um eine Lanze für den E-Euro zu brechen. Es wäre „für alle Nutzer vorteilhafter und bequemer, wenn Händler, die digitale Zahlungen akzeptieren, auch den digitalen Euro“ annehmen müssten, sagte Panetta. Das zu beschließen liegt in der Hand der Abgeordneten.
Auf den ersten Blick will die Europäische Zentralbank also, dass der Handel in Zukunft wenigstens ein staatliches Zahlungsmittel akzeptiert: gedruckte Euros oder elektronische Euros. Doch was folgt aus der Einführung der Digitalwährung für das Bargeld?
- Die Anstrengungen der Zentralbanker verlagern sich dahin, dem digitalen Euro zum Erfolg zu verhelfen — Bargeld ist nur mehr ein Nebenschauplatz. Das ist insoweit bedeutsam, als dass Bargeld praktisch keine Lobby besitzt. Dagegen verfügt die Finanzindustrie über ein immenses Werbebudget, um dem Bürger die Kartenzahlung schmackhaft zu machen. Das geht so weit, dass Unternehmen wie Mastercard Geldscheinen das Image eines bakterienverseuchten Gegenstands verpassen.
- Die moralischen Hürden für den Handel sinken, das Bargeld abzuschaffen. Denn laut Europäischer Zentralbank soll jeder Bürger den E-Euro nutzen können. Ließe sich das umsetzen, wäre kein Personenkreis mehr von der Teilnahme am Einkaufsleben ausgeschlossen, wo an jeder Ladentür steht: „Wir akzeptieren kein Bargeld.“
- Kontoguthaben sind eine Schuld der Bank ihren Kunden gegenüber. Wenn es den digitalen Euro gibt, könnten sich Banken ihrer Schuld auch über die Auszahlung von elektronischen Euros entledigen. Womöglich hätten es die Bankhäuser dann leichter, sich in die digitale Welt zu verabschieden. Schon heute verschwinden massenhaft Geldautomaten und Bankfilialen.
Sind der Europäischen Zentralbank diese Risiken nicht bekannt? Aber sicher doch, es wird lediglich kaum darüber gesprochen. Ökonomen müssen grundsätzlich kalkulieren, welche Folgen eine geldpolitische Entscheidung besitzt. In einem Fachmedium der EU-Kommission schreiben Wirtschaftswissenschaftler, eine Digitalwährung könne aufgrund von Netzwerkeffekten den Rückgang von Bargeld bewirken (1). Fabio Panetta zeigt nur auf die andere Seite und merkt in den Fußnoten zu seiner Rede vom 24. April 2023 an, dass es positive Netzwerkeffekte besäße, wenn Händler den digitalen Euro akzeptieren müssten. Denn „je mehr Menschen ein bestimmtes Zahlungssystem verwenden, desto sinnvoller und praktischer wird es für alle Nutzer“.
Die Europäische Zentralbank will also dafür sorgen, dass viele Menschen vom elektronischen Euro Gebrauch machen — Banknoten und Münzen geraten dabei in die Defensive.
Je weniger Bargeld in den Kassen des Einzelhandels landet, desto schneller verläuft die Bargeldabschaffung in Läden und Geschäften. Den Unternehmen wird das Bargeld dann auch schlicht zu teuer. Die steuerlichen Vorschriften für Barumsätze werden immer strenger, während mehr und mehr Möglichkeiten verschwinden, Wechselgeld zu besorgen oder Münzen einzuzahlen. Geldtransporte oder Fahrten auf die Bank kosten auch etwas.
Eigentlich hätten uns die Ökonomen über die Konsequenzen möglicher Entscheidungen genau zu informieren. Denn in einer Demokratie müsste der Bürger das Ziel vorgeben. Die Europäische Zentralbank hätte demnach eher die Aufgabe, danach zu sehen, dass der Weg nicht allzu steinig wird. Wie soll der Bürger einschätzen, ob der digitale Euro in geplanter Form mit seinen Werten vereinbar ist, wenn die Sachkundigen in der Politik nicht offen über seine Folgen sprechen?
Womöglich haben Sie nie davon gehört, dass Fabio Panetta am 7. November 2022 in Brüssel sagte (2):
- dass Sie eine App auf dem Smartphone haben werden, wenn Sie mit dem digitalen Euro einkaufen gehen möchten;
- dass die Höchstgrenze für anonyme Einkäufe mit dem E-Euro bei gerade einmal 50 Euro liegen könnte.
Finanzminister Christian Lindner ist Zeuge. Er war an diesem Tag vor Ort und machte sich auf Twitter für „digitales Bargeld“ stark. In Wirklichkeit ist der E-Euro aber keine digitale Entsprechung von Banknoten und Münzen. Bargeld kann jeder Mensch in den eigenen Händen halten. E-Euros befinden sich jedoch nicht auf der eigenen Computerfestplatte, sondern zentral verwaltet auf Servern der Europäischen Zentralbank. Wenn die Technik streikt oder der Staat Ihr Verhalten sanktionieren möchte, können Sie weder bezahlen noch Geld empfangen. Sie sind ausgeliefert.
Aber Sie können auch Teil der Lösung sein und ab sofort jeden Einkauf bar bezahlen. Damit schaffen Sie dem Bargeld eine Zukunft.
Sprechen Sie mit Ihren Mitmenschen darüber, welche Bedeutung das einzige freie etablierte Zahlungssystem besitzt und wovon es bedroht ist. Nutzen Sie dazu die Informationen, die ich für Sie auf meinen Kanälen bei Telegram und Twitter sammele, oder besuchen Sie die Blogs von Norbert Häring und Bargeldverbot.info.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Quarterly Report on the Euro Area (QREA), Vol. 20, No. 3 (2021), Seite 40: https://economy-finance.ec.europa.eu/document/download/d42d56ac-11cd-408e-8058-9639334234aa_en?filename=ip167_en.pdf
(2) Siehe in der Videoaufzeichnung gegen 10:36 Uhr. Eine interessante Reaktion Lindners auf den 50-Euro-Vorschlag ist gegen 11:00 Uhr zu sehen: https://webcast.ec.europa.eu/towards-a-legislative-framework-enabling-a-digital-euro-for-citizens-and-for-businesses
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